Die Würde und ich

Wie sind wir auf dieses Thema gekommen?
Vor ein paar Jahren, während eines Treffens der Frauenföderation Ortsgruppe Hannover sprachen die Frauen über die Auswirkungen der sexualisierten Werbung und beschlossen sich mit einer Flugblatt- und Straßenaktion dagegen zu wehren, dass der Körper der Frau als Werbegag, als Lockmittel für jedes beliebige Produkt benutzt wird.

Wo stehen wir heute?
Im Laufe der Geschichte, besonders im letzten Jahrhundert, haben viele Frauen um Gleichberechtigung und Anerkennung gekämpft und erlebt, dass keiner für sie einen roten Teppich ausrollt. Das Wahlrecht musste erkämpft werden, die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz ist bis heute größtenteils nur auf dem Papier existent, Frauenhäuser stehen als Warnzeichen für die immer noch existierende Unterdrückung der Frau in der Familie.


Nun zu uns Frauen – Wie manifestiert sich diese Würde in uns? Wie können wir Bezug zu unserer Würde finden?
Wir können nachdenken über unsere einzigartige und kostbare Persönlichkeit, egal, wie die einzelnen Religionen oder Ideologien Frauen bisher betrachtet haben.
Jetzt ist die Zeit da, uns selbst wertzuschätzen, zu erkennen, dass wir besondere Werte, Fähigkeiten und Talente in uns haben, die unsere Gesellschaft so dringend braucht.
Die Welt von heute sucht nach weiblichen Werten, das zeigt sich sogar in der Politik, wo immer mehr Frauen gewählt oder ernannt werden, ihre Bevölkerung zu repräsentieren.
Das Bewusst-Werden um unsere typisch weiblichen Eigenschaften wird unseren Selbstrespekt stärken und unser Verständnis, dass es ohne uns Frauen, beziehungsweise weibliche Wesensarten, die eigentlich genauso in Männern vorhanden sind, keinen Frieden und Weiterentwicklung in der Gesellschaft und weltweit geben wird.
Sobald wir uns diese wunderbaren Eigenschaften in unser Bewusstsein einprägen, werden wir unsere Würde finden.

Übung: Unsere innere „Königin Würde“ finden

Ich möchte Sie bitten, einmal aufzustehen. Legen Sie Ihre rechte Hand auf Ihre Brust und atmen Sie tief ein. Dabei fühlen Sie, wie Sie wachsen. Machen Sie sich groß, schauen Sie gerade nach vorne, aufrecht. Dann atmen Sie wieder ruhig aus, bleiben aber so groß. Wiederholen Sie diese Übung drei Mal und horchen Sie in sich hinein. Spüren Sie, wie in Ihnen Ihre innere Königin, Ihre Würde, wach wird und groß wird. Bitte setzen Sie sich wieder.
Diese innere Königin Würde habe ich nach meiner Rückenoperation entdeckt. Ich durfte zwei Monate nur stehen und gehen. Ich hatte ein Korsett an, das mich zwang, gerade zu gehen. Nur kleine Schritte durfte ich machen, um meinen Rücken nicht zu belasten und immer musste ich darauf achten, dass alle Muskeln um die Lenden angespannt waren.

Unsere Maske erkennen
Das alles war für mich eine große Überwindung. Es zwang mich, meine Maske abzulegen. Normalerweise hätte ich mich eher kleiner gemacht, wäre eher gebeugt gegangen, mit gerundeten Schultern.
Unsere Masken im täglichen Leben sind ein Schutzmechanismus mit dem wir versuchen, Verletzungen zu vermeiden. Wissen Sie um Ihre Maske? Machen Sie sich größer oder kleiner? Sind Sie immer nett und freundlich, hilfsbereit oder eher abweisend; geben Sie Kompetenz und Selbstsicherheit vor oder machen Sie sich hilfloser, als Sie sind? Wollen wir es allen recht machen, alle um uns herum zufrieden stellen? Jede ist anders, aber viele unserer Verhaltensweisen sind nur Masken, nicht unser wirkliches Ich. Manchmal haben wir unser wirkliches Ich so hinter der Maske versteckt, dass wir es selbst nicht mehr wahrnehmen.
Ich lade Sie heute ein zum Aufbruch, zum Entdecken Ihres wahren „Ichs“ und damit zur Begegnung mit Ihrer inneren Königin Würde.
Warum nenne ich die Würde in uns Königin? Während meiner Zeit direkt nach der Operation besuchte mich eine Freundin und sie war begeistert von meiner neuen Art des Gehens. Sie nannte es „Schreiten“, schreiten wie eine Königin.
Sicher ist das Entdecken des wahren Ichs hinter unserer Maske individuell sehr unterschiedlich und kann auch nicht an diesem Wochenende beendet werden. Aber sicher kann jede von uns etwas Neues entdecken. Zusammen können wir uns auf diesem Weg begleiten und zur Orientierung für den weiteren Weg einige Meilensteine setzen.

Authentisch sein
Wir haben seit der Geburt unsere Königin Würde, unser authentisches Selbst in uns. Als Kind, als Mädchen hatten wir noch ungehindert Zugang dazu, aber dann kamen mehr und mehr Forderungen aus unserer Umwelt auf uns zu und wir haben gelernt uns anzupassen. Wir haben alle Haltungen angenommen, die uns „liebenswert“ im Sinne unserer Umgebung gemacht haben. So haben wir uns selbst oder einen Teil von uns selbst aufgegeben.
Das ist der Unterschied zwischen Selbstaufgabe und Selbsthingabe. In der Selbstaufgabe, wenn wir unsere eigene Persönlichkeit aufgeben, uns selbst aufgeben, verlieren wir unser eigenes Selbst, unsere innere Königin, unsere Würde. In der Selbsthingabe schenken wir von uns, aus dem inneren Reichtum unserer Königin; wir bleiben wir selbst und damit wird die Selbsthingabe zur Grundlage echter Liebe. Schauen Sie Mutter Teresa an, wir kennen sie alle. Sie hat sich selbst ganz der Aufgabe hingegeben, die sie erfüllen wollte und ist immer eine Frau mit leuchtender Würde gewesen.
Wir selbst sein macht uns liebenswerter, weil es authentisch ist. Erst dann werden wir als eigenständige Person anerkannt, respektiert, geliebt und vertrauenswürdig. Und was kann schließlich passieren, wenn wir authentisch leben? Vielleicht weist uns jemand zurück, weil wir seinem Frauenbild nicht entsprechen. Aber wir haben uns selbst, wir sind ehrlich und unser Leben wird wertvoll, würdevoll.

Das Bewusstsein unserer Würde behalten
Egal, wie andere uns behandeln, wir sollen uns nicht als Opfer fühlen. Unsere universale, gottgegebene Würde ist viel stärker als jedwede Bewertung, die jemand anderer uns gibt. Im Allgemeinen haben Frauen die Tendenz, sich von der Anerkennung anderer abhängig zu machen. Leider müssen wir zu oft mit ansehen, dass Frauen oder Mädchen sich von Männern missbrauchen lassen in der Hoffnung, dafür ihre Liebe zu bekommen. Sie vergeben ihren gewalttätigen, betrunkenen Ehemännern immer wieder, geschlagen und gedemütigt und hoffen trotzdem auf Besserung. Es würde den Männern aber helfen, wenn sie auf ihrer Würde bestehen und Hilfe von Außen suchen würden. Indem wir uns ständig selbst bestätigen, dass wir als Gottes Abbild mit ewigem Wert geschaffen sind, lernen wir, von der Bewertung Anderer unabhängig zu werden. Unser Gefühl der Würde verlieren wir nur, wenn wir andere beschuldigen, richten oder die Kontrolle über die Emotionen verlieren.

Unser Leben ist unser Kunstwerk
Kennen Sie Situationen, wo Sie an Ihre Grenzen stoßen? Erschöpfung, Stress, Schlaflosigkeit, Krankheit machen uns zu schaffen. Aber wie oft gehen wir darüber hinweg? Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen; „Zu oft“! Immer wieder machen wir weiter, eine kurze Ruhepause, vielleicht eine Schmerztablette und es geht weiter. Es muss einfach weitergehen. Was muss passieren, damit wir endlich auf unseren Körper hören und auch mal nein sagen? Wir Frauen zahlen alle einen zu hohen Preis. Kennen wir nicht das Gefühl, dass alles um uns zusammenbricht, wenn wir es nicht tun? Und oft auch empfinden wir, dass wir nicht genug getan haben, ja, es nie genug ist, was ich gegeben habe. Aber irgendwann kommt ein Punkt, wo wir nur noch „tun“ ohne wirklich Freude daran zu empfinden. Es fehlt etwas Wesentliches trotz aller, besser gesagt, gerade wegen aller „Selbstaufgabe“. Durch unseren Aktivismus drücken wir uns letztlich nur noch vor unserem „geistigen Schöpfertum“ und vor unserer Selbstwerdung.
Die Fähigkeit der Selbsthingabe, die uns Frauen in die Wiege gelegt wurde, ist wichtig für die Zeit, in der unsere Kinder klein sind. Diese zeitweise symbiotische Beziehung verlangt unsere ungeteilte Aufmerksamkeit. Aber wir dürfen nicht vergessen, diesen Zeitraum abzuschließen, wenn unsere Kinder größer sind.
Dann können sie selbst vorwärts gehen und nur so werden sie ihre eigene Persönlichkeit gestalten können. Genauso ist es mit unseren Ehepartnern. Auch sie haben ihren individuellen Weg, in den wir nicht eingreifen können oder dürfen.
Individuell ist der Zeitraum der ungeteilten Aufmerksamkeit für unsere Kinder sicherlich unterschiedlich lang. Nach diesem Zeitraum können wir uns auf eine neue Weise eingeben. Der mütterliche Aspekt in uns kann sich den Bedürfnissen der größeren Familie, der Welt zuwenden, was immer auch der Aspekt sein mag, in den wir uns investieren wollen. Zur gleichen Zeit können wir uns um unsere eigenen spirituellen Bedürfnisse kümmern.
Der Feminismus hat uns befreit, was Ausbildung und Beruf betrifft. Zwischen Beruf, Karriere und Frau Sein sind wir aber gleichzeitig in eine Identitätskrise geraten. Oft haben die Frauen ihre Verschiedenheit im Vergleich zum Mann als etwas Hinderliches gesehen. Daraus folgte aber auch die Abwertung der Werte, die das Besondere der Frau sind, sowohl im biologischen als auch im geistigen Bereich. Diese Werte gilt es wiederzuentdecken und bewusst in unser Leben einzufügen.
Wir sind es selbst, die unser Leben gestalten und so zu Mitschöpfern unseres eigenen „ Ich“ werden. Pico della Mirandola sah die Würde der Menschen in ihrer Selbstbestimmung und der freien Entwicklung ihres Charakters. Alle anderen Geschöpfe wachsen den Naturgesetzen folgend heran. Nur der Mensch hat die Möglichkeit, in anderen Worten, die göttliche Mission, mitzuhelfen, sich selbst zu gestalten.
Dies bedeutet, unseren Anteil des Schöpfungsprozesses, liebevoll zu umarmen, indem wir uns sagen, dieser Teil ist mein Eigentum, mein eigenes Reich, in das niemand eindringen darf. So gesehen, entsteht in uns ein Heiligtum, das wir mit all dem füllen können, was wir an Erfahrungen und Erkenntnissen sammeln, unsere himmlische Schatzkammer. „Das sind meine 100%, niemand kann sie antasten oder sich einmischen.“ Mich erfüllt dieser Gedanke mit Freude.
Das Entdecken unserer Qualitäten, Entwickeln unserer Talente erfordert unsere ganze Konzentration, unser Investment und ist jeden Tag neu spannend und stimulierend. Beschäftigen wir uns mit dem Geheimnis der Weiblichkeit, bleibt uns keine Zeit mehr zu kritisieren, beleidigt zu sein, unrealistischen Illusionen nachzutrauern. Wir werden erfahren, dass unser Glück NICHT von anderen abhängig ist, sondern in uns selbst zu finden ist. Indem wir uns die Wertschätzung, Bestätigung und Liebe, die wir bisher immer von anderen gefordert haben, selbst geben, werden unsere Herzensbedürfnisse erfüllt und wir sind im Frieden mit uns selbst. Das ist die ideale Basis für Friedensarbeit und diesen Frieden werden wir unweigerlich auf unser Umfeld ausstrahlen und entsprechende Veränderungen feststellen können.
Das ist ein Aspekt der Würde des Menschen, der Würde der Frau. Dazu gehört, in uns hinein zu horchen und zu erkennen, wie wir unser Leben in den gegebenen Umständen gestalten wollen. Unser Leben ist unser ganz persönliches Kunstwerk.

Uns selbst und das Leben annehmen

Im Buddhismus ist das tiefe Mitgefühl für unsere eigene Menschlichkeit ein hohes Ziel, das gleichzeitig auch Erlösung in sich trägt. Jesus hat gesagt; „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Darin liegt die größte Schwierigkeit - sich selbst anzunehmen, jeden Tag aufs Neue, in bedingungsloser Liebe, d.h. ohne Bedingungen an uns selbst zu stellen, die uns vermeintlich erst liebenswert machen. Aber das ist die wichtigste Voraussetzung, wenn wir mit anderen Menschen liebevoller umgehen wollen.
Uns selbst annehmen, ganz wir selbst sein heißt vor allem, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Schauen Sie hinaus in diese schöne Landschaft. Entdecken Sie die Vielfalt der Blüten und die Besonderheit einer jeden einzelnen. So sind auch wir, jede auf unsere eigene Art schön und besonders und mit Wert und Würde ausgestattet, mit der Möglichkeit, ganz wir selbst zu sein.
Wenn wir uns so annehmen in unseren Besonderheiten, dann können wir auch alle Menschen um uns herum annehmen in ihren Besonderheiten ohne uns Bilder voneinander zu machen, die Täuschungen sind und zu Enttäuschungen führen.
Es mag unsere Selbstzweifel und Existenzängste herausfordern, die Anforderungen an uns selbst nicht mächtiger werden zu lassen als die Liebe zu uns selbst. Aber das größte Hindernis unsere innere Königin Würde nach außen erstrahlen zu lassen ist, dass wir uns selbst nicht wertvoll und liebenswert empfinden.
Es gibt eine schöne Aussage zu diesem Thema von Meister Ekkehard, ein Dominikaner, Prediger, Theologe und Mystiker des Mittelalters, die ich Ihnen mitgeben möchte:
„...Hast du dich selbst lieb, so hast du alle Menschen lieb wie dich selbst. Solange du einen Menschen weniger lieb hast als dich selbst, so hast du dich selbst nie wahrhaft lieb gewonnen, - wenn du nicht alle Menschen lieb hast wie dich selbst, in einem Menschen alle Menschen: und dieser Mensch ist Gott und Mensch. So steht es recht mit einem solchen Menschen, der sich selbst lieb hat und alle Menschen so lieb wie sich selbst, und mit dem ist es gar recht bestellt.“

Unsere Fehler annehmen

Schuldgefühle begleiten uns als Frau seit vielen Jahrhunderten. Suchen wir in den religiösen Interpretationen der Heiligen Schriften nach dem Ursprung aller Schwierigkeiten des menschlichen Lebens, so finden wir die Frau als Urheberin der Trennung von Gott, als erste Sünderin.
Auch in der griechischen Philosophie finden wir eine starke Herabsetzung der Frau. Die patriarchalische Erziehung hat das ihre dazu getan. So ist es verständlich, dass wir uns unserer Fehler, unserer Schuld immer sehr bewusst sind und uns davon lähmen lassen. Wichtig ist, dass wir uns diese Fehler verzeihen und nicht in Schuldgefühlen stecken bleiben. Gesünder ist es, diese vermeintlichen Fehler als Lektion zu erkennen, um etwas daraus zu lernen. Das bedeutet wiederum uns selbst bedingungslos zu lieben, so wie wir sind, mit der Angst, Schwäche, Wut, Langeweile, Trauer, mit Stress, mit der Lebendigkeit, der Wildheit, der Kraft und dem Schmerz. Lieben wir uns so bedingungslos, dass wir all diese umarmen können, dann können wir auch die Menschen um uns herum so lieben, denn was ich in mir selbst nicht ablehnen muss, brauche ich auch in meinem Gegenüber nichts abzulehnen oder gar zu bekämpfen.


Die Jahre unseres Schaffens anerkennen
Ein weiterer Schritt ist, anzuerkennen, was wir geschafft haben. Jede von uns schaut auf viele Jahre des Schaffens zurück. Wir können nur aufbauen auf das, was wir geschafft haben, wenn wir uns selbst die Anerkennung zugestehen. Das bedeutet falsche Bescheidenheit hinter uns zu lassen und uns nicht mit anderen zu vergleichen oder an anderen zu orientieren. Egal, was wir „erreicht“ oder „nicht erreicht“ haben, wir haben nicht versagt. Im universalen Kontext sind wir alle auf dem Weg des Wachsens und Lernens und die Summe unserer Erfahrungen sind die Früchte unseres Lebens. Was wir wirklich innerlich aufgebaut, gelernt und erreicht haben, wissen nur wir selbst. Nur ich selbst kann mir dafür die Anerkennung geben.
Zeit, ein Geschenk der Schöpfung
Veränderungen brauchen Zeit, so wie alles Wachstum Zeit braucht. Zeit ist ein Teil des Schöpfungsprozesses. So dürfen wir auch diese Zeit in Anspruch nehmen, als Geschenk der Schöpfung entgegen nehmen und alle Ungeduld mit uns selber verbannen. Die Rhythmen der Natur zeigen uns, dass das Wachstum oft in den Zeiten der Stille geschieht, manchmal in der Dunkelheit beginnt und erst sichtbar wird, wenn der Keimling durch die Oberfläche der Erde stößt. Davor liegt die Zeit des Reifens im Verborgenen und Unsichtbaren. „Der Schöpfer schenkt aus seinem Sein, aus seiner Weiblichkeit schenkt er die Zeit.“ sagt Weinreb, der die Quellen des jüdischen Wissens studierte, in seinem Buch „Gott Mutter, Die weibliche Seite Gottes“.
Nicht Aktivität um jeden Preis, wie patriarchalische Muster sie fordern, sondern das geduldige Warten, das sich den Entfaltungsmöglichkeiten überlassen, die allem Lebendigen innewohnen, ist hier von höherer Bedeutung.


Das Ziel unserer Seele benennen
Haben wir den Weg zu unserer inneren Königin Würde gefunden, so bleibt uns nur noch zu entdecken, welche Stärken, Sehnsüchte, Fähigkeiten und Wünsche in uns stecken. Ich nenne das, das Ziel unserer Seele erforschen, das heißt, jenseits unserer äußeren Aufgaben unserem Leben einen tieferen Sinn zu geben. Dabei ist es unbedingt notwendig, sich Zeit zum Erforschen und Kennen lernen unserer inneren Königin zu nehmen. Auf diesem Weg ist ein Schritt, unser Leben unter die Lupe zu nehmen. Den Unterschied zwischen dem was uns hilft und dem, was uns hindert, kann nur jeder für sich selbst herausfinden. Dabei ist wichtig zu sehen, dass auch schwierige Situationen hilfreich sein können. Was wir möglicherweise für uns als „schlecht“ definieren, kann ein wichtiger Hinweis sein, dass sich in unseren Konzepten oder Denkweise etwas ändern soll, weil es uns am Wachstum hindert. Vieles in unserem Leben dient unserem inneren Ziel, entspricht ihm und fördert es, oft, ohne dass wir uns dessen bewusst wären.

Wünsche und Visionen
Wir Frauen ersticken unsere Wünsche und Visionen oft im Keim mit Gedanken wie „das geht sowieso nicht, dafür habe ich keine Zeit, das ist nicht realistisch, dazu fehlt mir die Kraft, das wird doch keiner verstehen, das wird keiner akzeptieren!“ In der Geschichte haben Frauen soviel Zurückweisung erlebt, sind so oft verletzt worden, dass uns dies noch unbewusst anhaftet. Wie viele Frauen sind der Meinung, dass sie nichts Besseres verdient haben. Dies ist oft der Grund, warum wir das innere Ziel unserer Seele nicht verwirklichen. Also heißt es, Wünschen lernen. Die größte innere Stärke entsteht aus der Kraft der Visionen. Visionen, deutliche, klare Ideen und Wünsche machen uns Mut und lassen uns Fremdbestimmung überwinden. Diese Visionen mögen die verschiedensten Inhalte haben, wie zum Beispiel unsere persönliche Zukunft, Veränderungen in unserer Stadt, globale Themen wie die Würde der Frau, Frieden in der Welt, Umweltschutz, Bekämpfung des Hungers in der Welt oder vieles mehr. Sobald wir uns aus unseren Masken befreit haben, werden wir uns mehr und mehr verbunden fühlen mit der Welt, da wir dann merken, dass wir ein Teil von ihr sind. Visionen und Wünsche sind wie ein Feuer in uns. Wir brauchen es nicht zu fürchten. Lassen wir es brennen und hell auflodern.

Macht aus der Sicht der Frau
Manchmal haben wir Angst vor diesem Auflodern unseres inneren Feuers, weil wir spüren, wie viel Macht es uns gibt. Macht kennen wir nur negativ besetzt aus dem männlichen Bereich. Macht war bis jetzt immer etwas, was uns Angst gemacht hat, was uns unterdrückt und unser Leben fremdbestimmt hat.
Schauen wir aber ehrlich zurück in die Geschichte, so sehen wir auch, dass das Matriarchat Aspekte der Macht über die Männer enthielt, das Festhalten am Sohnstatus des Mannes. Diese Angst vor der weiblichen, mütterlich einnehmenden Macht steht immer noch unbewusst hinter der heute subtileren Art der Unterdrückung der Frau.
Die patriarchalischen Lebensformen haben dann die Frau unterdrückt. Diesen Kreislauf von Rache, Schuld und Vergeltung gilt es zu durchbrechen.
Kultur des Friedens ist eine Kultur der Synthese. Jeder Beitrag ist wichtig. Mann und Frau haben unterschiedliche Fähigkeiten, Talente, Interessen. Alles zusammen bildet dann diese Kultur. Wenn beide, Mann und Frau die Reife ihres Herzens erreicht haben, wird diese Einheit von kosmischer Bedeutung sein. Das heißt, dass endlich eine Welt des Friedens realisierbar wird. Schon Hildegard von Bingen eine deutsche Heilige und mystische Visionärin des Mittelalters, hat den Menschen als Zentrum des Kosmos beschrieben und erklärt, dass jede seiner Bewegungen das ganze Universum beeinflusst. Jede unserer Handlungen schafft eine Grundlage für etwas Neues. Jeder Gedanke, jedes Gefühl, jede Tat hinterlässt Spuren.
Letztlich kann eine Kultur des Friedens nur zustande kommen, wenn beide Aspekte, das Männliche und das Weibliche, gleichwertig miteinander wirken.
Es ist daher wichtig, dass wir uns als Frauen zu unserer Macht bekennen, sie weise einsetzen und so die Welt um uns herum positiv beeinflussen. Nur dann kann es zu einer partnerschaftlichen Gestaltung einer friedvollen Welt kommen.

Die Position der Frau im Universum

Was das Einnehmen unserer Position in der Familie, Gesellschaft, im Universum anbetrifft, so haben wir als Frau eine besondere geschichtliche Last mit auf den Weg bekommen. In vielen Religionen galt Jahrhunderte lang der Satz: „Die Frau kommt nur über den Mann zu Gott“. Erst die feministische Theologie hat gezeigt, dass schon Jesus die Frauen besonders wert geschätzt hat. Margot Käßmann, die Bischöfin, sagt in einem Interview mit der Zeit. „In der Theologie hat es lange gebraucht, den weiblichen Blick als legitime, gar respektable Ausgangsposition zu erkennen.“, „Erst die feministische Theologie hat weibliche, mütterliche Gottesbilder der Bibel ins Bewusstsein gebracht, den biblischen Geschichten bekannter und auch vieler namenloser Frauen zur Beachtung verholfen.“
Jesus erhob die weiblichen Werte und Tugenden wie Nächsten– und sogar Feindesliebe, Mitgefühl, gegenseitige Verantwortung, andere so zu behandeln, wie man selbst gerne behandelt werden möchte, in die zentrale Position seiner Lehre. Er predigte aus der Erkenntnis heraus, dass eine spirituelle Evolution durch dieses neue Wertesystem zu einer fundamentalen Gesellschaftsveränderung führen würde.
So beschreibt Jesus Gott vorrangig als einen, der für seine Kinder sorgt und ihre Bedürfnisse befriedigt. Er drückt kindliches Urvertrauen aus in den Gott, der einmal abwischen wird all ihre Tränen…. Für Kinder sorgen und Bedürfnisse befriedigen, trösten, ist der Ausdruck des weiblichen Aspektes in Gott.
Auch andere Religionen zeigen auf, dass im Ursprung, in der Quelle allen Seins, beide Aspekte vorhanden sind. Im Taoismus ist es das Prinzip von Yin und Yang, das Maskulinität und Femininität in sich vereint.
Auch im Buddhismus galt lange Zeit, dass Frauen erst als Männer wieder verkörpert werden müssen bevor sie den Zustand der Erleuchtung erreichen können. Woraufhin eine heute als Göttin verehrte Schülerin Buddhas, die Tara, schwor, sie werde solange als Frau wiedergeboren werden, bis sie als Frau Erleuchtung erlangt habe. Das gelang ihr natürlich.
Für uns heißt es also diesem Beispiel Taras zu folgen, im übertragenen Sinne das Göttliche in uns zu entdecken. So wie der Mann in den patriarchalisch religiösen Kulturen als Sohn Gottes erscheint, so sind wir Tochter Gottes. Im christlichen Sinne können wir uns auf die Aussage des Alten Testaments berufen, dass Gott den Menschen Ihm zum Bilde schuf, einen Mann und eine Frau. Die Chance der heutigen Zeit, dass das Weibliche seine ursprüngliche Position einnimmt, repräsentiert die Vollendung des menschlichen Lebens, vom Individuum, in der Ehe und der gesamten Welt. Die Erhöhung der Mütterlichen, des Mitgefühls, der Hinwendung zu den hungernden Kindern der Welt, das Nähren im wahrsten Sinn der Verantwortlichkeit der Weltfamilie gegenüber, wird dadurch Wirklichkeit werden.
Unsere eigentliche Aufgabe ist es, den Platz einzunehmen, der für uns, nur für uns, vorgesehen ist. Wenn wir „Aufgabe“ oder „Verantwortung“ hören, schrecken wir oft zurück, da wir diese Worte mit Mühe und Schwierigkeiten verbinden. Aber das braucht nicht so zu sein. Wenn wir unsere Position einnehmen, die Stelle besetzen, die uns entspricht, die für uns reserviert ist, dann fließen uns die Kräfte zu, die wir brauchen, dann kooperiert das Universum mit uns. Sind wir die ersten Schritte gegangen, dann merken wir, dass es viel leichter und müheloser ist, wir selbst zu sein, als unserer Maske zu entsprechen. Wenn wir wirklich wir selbst sind, dann öffnen sich unsere Augen auch für die Fülle des Lebens, für die Freude und die Schönheit. Dann wird die Aufgabe zur Lebensfreude und wir werden Schöpferinnen unserer Zukunft. Dann haben wir die Würde in uns entdeckt, so wie sie Pico della Mirandola einst beschrieb.


Meilensteine
Dies sind nur ein paar Meilensteine zur Orientierung auf dem Weg. Sicher hat jede von uns auch ihre ganz persönlichen Wegweiser. Ich freue mich schon auf unsere Gesprächsrunde.
Wenn unsere innere Königin Würde in uns regiert, wird sie nach außen erstrahlen. Regiert sie in uns, dann wird uns plötzlich bewusst, wie oft wir zugestimmt haben zu unserer eigenen Entwürdigung nur um Anerkennung und Liebe zu erhalten. Dann werden wir Verhaltensmuster ändern, Tag um Tag, Stück für Stück. Wir werden lernen „nein“ zu sagen, auch auf die Gefahr hin missverstanden zu werden. Wir werden erkennen wie unsere Selbstaufgabe den Menschen um uns herum nur die Möglichkeit zur Entfaltung und Selbstkonfrontation genommen hat.
Wir werden frei sein von innerlichen selbst auferlegten Zwängen, scheinbaren Notwendigkeiten und falschen Machthabern. Wir werden endlich entdecken, dass es sich nicht nur um ein frei sein „wovon“ sondern auch um ein frei sein „wofür“ handelt. Wir werden frei für unseren eigenen Weg, frei für die innere Würde, frei für Visionen, frei für Macht. Das wird uns stärken, um uns ganz in die Aufgabe hinein zu geben, für die wir uns entschieden haben.
Die freie Frau in uns, die innere Königin Würde, ist eine Frau, die sich entschieden hat. Sicher sind wir nicht immer und schon gar nicht am Anfang dieses Weges frei von allen Ängsten, Schuldgefühlen oder Sorgen. Aber wir lassen uns nicht mehr durch diese Gefühle manipulieren. Wir werden neue Bereiche in uns entdecken. Freude am Tun und Freude am besinnlichen Ruhen werden sich die Waage halten in unserem Alltag und unser Körper wird uns dankbar sein, dass wir auch ihm die Würde zugestehen, gesund und gepflegt zu sein.
Die vielen inneren Veränderungen werden nach anfänglichem Erstaunen auch Veränderungen bei den Menschen um uns bewirken. Wenn sich unsere innere Wahrnehmung von uns selbst wandelt, dann wird sich auch die Wahrnehmung der anderen von uns wandeln. Mehr noch sogar, nur, wenn sich in uns etwas ändert, ändert es sich auch außerhalb von uns.

Ich möchte diesen Teil beenden mit einem Zitat von Angelika Alliti:
„Was aber finden wir, wenn wir nach vorne schauen? Was bleibt noch zu tun? Sind noch Wünsche offen? Was übrig bleibt ist die Sehnsucht nach einer Welt, in der nicht Angst das dominierende Lebensgefühl ist, sondern Lebensfreude. Wäre es nicht wunderbar, wenn dieses neue Jahrhundert auch neue Lebensformen ermöglichte? Lebensformen, die keine Hierarchie brauchen, um zu funktionieren, die ein Höchstmaß an persönlicher Freiheit und Entwicklung ermöglichen? Damit das nicht Utopie bleibt, ist einiges zu tun.“

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